Sonntag, 12. Dezember 2010

Jugendschutz / JMStV Teil 1: Blog-Sterben und Aufblühen der Erotikbranche

Wer in den letzten Wochen und Monaten Nachrichten und Blogs in Deutschland verfolgt hat, ist sicherlich über eine kontroverse Diskussion über die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) gestolpert. Dieser existiert zwar bereits seit 2003, soll nun aber zum 1.1.2011 verschärft werden.

Dem Gesetzesentwurf vom Juli 2010 muss abschließend nur noch durch die Landesparlamente zugestimmt werden, damit er zum neuen Jahr in Kraft treten kann. Dabei stößt der JMStV aber auf viel Gegenwehr v.a. aus der Internet-Community. Einige Blogger haben schon angedroht, ihren Internetauftritt zum 1.1.2011 völlig zu beenden.

Tritt der Staatsvertrag tatsächlich zum 1.1.2011 in Kraft - und so sieht es momentan aus -, dann müssen Homepage-Betreiber "entwicklungsbeeinträchtigende" Inhalte ihrer Webseite mit Altersfreigaben kennzeichnen, unterteilt in die Stufen ab 0, 6, 12, 16 und 18 Jahren. Alternativ können auch Sendezeiten eingeführt werden, so dass diese Inhalte nur von 22/23 Uhr bis 6 Uhr erreichbar sind. Die gekennzeichneten Inhalte sollen dann durch eine Jugendschutz-Software gefiltert werden können. Dass solch eine Software bis dato - Mitte Dezember! - nicht existiert, scheint die Politiker aber nicht weiter zu stören.

Jeder Homepage-Betreiber mit Sitz in Deutschland muss nun also alle bisherigen wie auch zukünftigen Inhalte auf Entwicklungsbeeinträchtigung prüfen und ggf. ein entsprechendes FSK-Label anbringen. Wie dieses technisch genau auszusehen hat, steht knapp 3 Wochen vor Inkrafttreten des Gesetzes ebenfalls noch nicht fest. Dass bei einer falschen Altersklassifizierung dem Betreiber aber hohe Abmahnkosten drohen könnten (von bis zu 50 000 Euro ist die Rede), wird meines Erachtens dazu führen, dass einige Autoren Ihre Beiträge im Ausland veröffentlichen oder ihren Internetauftritt gar ganz beenden werden.

Und auch wenn eigentlich nicht viele Homepages von dem neuen Gesetz betroffen sind, da sie keine entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte anbieten, so wird doch jeder Betreiber gezwungen sein, sich mit einer Altersklassifizierung auseinanderzusetzen, um von der Jugendschutz-Software - wie sie dann auch immer aussehen mag - nicht ausgefiltert zu werden und somit eine wichtige Zielgruppe nicht erreichen zu können.

Diese neue Alternative zur Altersklassifizierung zeigt auch, dass diese Regelungen wohl von Juristen entworfen wurden, die selbst nur sehr selten im Internet unterwegs sind: Durch die Novellierung des JMStV wird sich die deutsche Erotikbranche nämlich gerade die Hände reiben und sich auf den "verschärften Jugendschutz" freuen. Denn nun müssen die erotischen Inhalte nicht mehr durch Altersverifizierung (Personalausweis oder Kreditkarte) oder Sendezeiten beschränkt werden, sondern es kann von der neu eingeführten Alternative der Altersklassifizierung Gebrauch gemacht werden. So können die erotischen Seiten nun frei angezeigt werden, lediglich mit dem FSK18-Label versehen. Lassen Eltern ihre Kinder dann ohne Jugendschutz-Software im Internet surfen, so sind diese Seiten von nun an auch für diese frei zugänglich. Interessant ist hierzu auch der Artikel auf ak-zensur.de.

Mein Fazit für den ersten Teil: Auf den ersten Blick scheint dieses Gesetz tatsächlich Eltern zu helfen, durch entsprechende Software ihre Kinder vor "gefährlichen" Inhalten zu schützen. Doch erstens müssen sich die Eltern auch tatsächlich darum kümmern, denn sonst sind fortan wohl auch Erotikseiten frei erreichbar, und zweitens sind die neuen Regelungen noch lange nicht ausgereift. Hier wurde scheinbar ein Gesetz ganz überstürzt überarbeitet, ohne sich über die Folgen für private oder kleine Anbieter im Klaren zu sein.
Auf die mangelnde Rechtssicherheit werde ich dann im zweiten Teil noch genauer eingehen. Dieser wird hier in den nächsten Tagen erscheinen.

Übrigens: Wer selbst eine Homepage betreibt, ob Blog, Forum oder Shop, und sich nicht sicher ist, ob und wie er zum 1.1.2011 reagieren muss, dem lege ich die gut strukturierte Übersicht von Thomas Schwenke und Simon Möller nahe. Später soll es dann auf altersklassifizierung.de einen Fragebogen geben, in dem man unkompliziert und ohne Registrierung die Altersfreigabe seiner Homepage ermitteln können soll.

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